Es ist schon merkwürdig, was der Ukrainekrieg so an Nebenwirkungen zeitigt. Da versuchen Umweltschützer seit Jahren, die Menschen davon zu überzeugen, dass wir verschwenderisch mit Energie umgehen. Dass das Einsparpotenzial enorm ist und einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann. Vergeblich. Und jetzt?
Jetzt plötzlich passiert etwas, das ohnehin auf uns zugekommen wäre, nur etwas später, nämlich dass die nicht erneuerbaren Energien knapp werden und die Preise explodieren. Und plötzlich können wir es, nicht aus Einsicht, nein, das leider nicht. Die Umfrageweltmeister des Umweltschutzes sind plötzlich schlicht gezwungen zu sparen; also mal von den oberen 30 % abgesehen. Dann gibt es noch einige, die ihre Ausgaben umschichten, sprich, hier und da auf lieb gewonnenen Luxus verzichten müssen. Oder eben doch den einen oder anderen Spartipp berücksichtigen.
Und was da alles getippt wird! Es haut einen von den Socken. Von Bild über Hör Zu bis Für Sie, in Lokalteilen und überregionalen Publikationen, ja die Energieunternehmen selbst überbieten sich mit cleveren Ideen, die urplötzlich überall hervorsprudeln, als hätten die Bombeneinschläge in der Ukraine völlig unbekannte Quellen der Inspiration aufgetan.
Haben sie aber nicht. Was da verbreitet wird, ist mit dicker Patina überzogen, nichts ist innovativ. Im Gegenteil. Alles schon Hunderte Male gesagt. Es wird nur zum ersten Mal von einer breiten Masse wahr- bzw. ernstgenommen. Dass Schwimmbäder Heizkosten sparen können, ohne dass die Besucher am Beckenrand festfrieren – wer hätte das gedacht. Dass man die Heizkosten und den CO2-Ausstoß deutlich senken man, wenn man nicht bei 24 Grad im T-Shirt seine Fernsehchips mümmelt – wer hätte das gedacht. Dass Pullover nicht nur schick sein können, sondern sogar obendrein warmhalten – echt jetzt? Von Stoßlüften hatte bisher auch noch niemand etwas gehört. Wussten Sie, dass es Sinn macht, die Tür zum Keller zu schließen? Ach so, Sie wohnen gar nicht im Eigenheim? Dann sollten Sie sich zumindest endlich mit „elastischen Dichtungsbändern für Türunterkanten“ beschäftigen.
Und wer seine Teigwaren vor sich hin weichen statt sprudeln lässt, der kann sich auch in Zukunft noch seine Spaghetti leisten und rettet zusätzlich den Planeten. Plötzlich ist „Warmduscher“ nicht nur despektierlich gemeint, sondern kommt gleich nach dem Kinderschänder. Der Waschlappen erlebt eine nie für möglich gehaltene Renaissance und es wird nicht mehr lange dauern, dann wird ein leicht strenger Geruch nicht mehr peinlich berühren. Nein, er wird zum olfaktorischen Orden des heroischen Kampfes gegen Energieverbrauch und den wahren Widerstandsgeist gegen alle Autokraten der Welt, bei denen eine nicht sehr kluge Vorsehung unsere Ressourcen verbuddelt hat.
Gänzlich neu ist auch die Forderung nach Zuschüssen für bessere Wärmedämmung oder Solarmodule auf allen Dächern, mindestens bei Neubauten. Ja, sogar Windräder sollen gebaut werden – selbst in Bayern! Na ja, wirklich neu ist nur, dass diese Erkenntnis sich endlich so ganz, aber auch wirklich ganz allmählich in den Köpfen derer durchsetzt, die den Ausbau erneuerbarer Energien in der Vergangenheit blockiert haben.
So gesehen, alles wie gehabt eigentlich. Alte Kamellen werden ausgegraben und unter ein Volk geworfen, das sich von seinen klima- und energiepolitischen Illusionen trennen muss. Bisher allerdings steht zu fürchten, dass ihm lediglich seine Geiz-ist-geil-Mentalität um die Ohren fliegt und es die wachsende Leere im eigenen Portemonnaie aus dem ökologischen Schlafsessel fegt.
Dass wir endlich unser bisheriges Wirtschafts- und Produktionssystem überdenken und umstrukturieren müssen, von dieser Erkenntnis ist die Mehrheit noch weit entfernt. Der Waschlappen rettet unser Klima jedenfalls nicht.
Mal sehen, wie es nach dem hoffentlich baldigen Ende des Krieges in der Ukraine weitergeht. Ob dann Parteien gewählt werden, die Ökosteuern einführen wollen oder Energiebudgets? Die die Kfz-Steuer erhöhen, die Kilometerpauschale abschaffen und durch einen Fahrradbonus ersetzen wollen? Oder werden wir, ähnlich des Corona-Freedom-Days, erleben, dass manche mal wieder so richtig Party machen wollen und das eigene Wohnzimmer in eine Sauna verwandeln? Endlich sich mal wieder 20 Minuten lang unter der Dusche die Haut versengen? Die Tür zum Keller öffnen?
Warten wir es ab. Nicht, dass in zehn Jahren die Volontäre wieder absolut überraschende Sparvorschläge zusammenstellen müssen.