Jetzt also auch in Köln: die Stadt gehört nicht mehr überall den Bürgern. Im Luxusviertel Gerling-Quartier (z.B. 70 qm für schlappe 1.800 €; Eigentum ab 10.000 €/qm) wäre die Geldelite gerne unter sich. Normalsterbliche sollen nur zügig hindurch laufen und sich die ‚Pracht‘ neidisch ansehen, aber die Anwohner auf keinen Fall mit längerer Anwesenheit belästigen. Deshalb vertreiben private Sicherheitskräfte jeden, der es wagt sich im Gereonshof an den Brunnen zu setzen und sein Eis zu essen mit dem Hinweis, dies sei Privatgelände. Sogar einen Zaun zu ziehen hat man schon in Erwägung gezogen.
Leider hat die Stadtverwaltung Köln mal wieder bewiesen, wie unfähig sie ist. Als das Gerling-Quartier in ein Luxuswohnviertel verwandelt wurde, pries man es als „neue Piazza Navona“, als jederzeit zugängliches „lebendiges Stadtviertel zum Flanieren und Verweilen“. Der Gereonshof wurde dann auch im Bebauungsplan komplett als öffentliches Gelände ausgewiesen, aber seltsamerweise hat irgendwer versäumt, dies auch im Grundbuch einzutragen. Deshalb können die Eigentümer nun darauf pochen, dass es lediglich ein Wegerecht auf einem ca. 10 Meter breiten, rund 125 langen Streifen gäbe. Nicht, dass das für Kölner neu wäre, aber der Dilettantismus scheint hier wirklich keine Grenzen zu kennen. Oder war es Verschnarchtheit? Oder doch wieder irgendein Klüngel? Ein klammheimlicher Kotau vor den Investoren mit den vollen Taschen? Nichts davon würde verwundern.
Warum aber bestehen die Anwohner überhaupt darauf? Was haben sie dagegen, dass sich hin und wieder jemand an den Brunnen setzt? Denn viele sind das ohnehin nicht. Wie man es wagen konnte diese immer noch den Mief faschistischer Architektur atmende Ansammlung geometrisch-strengen Betons mit der Piazza Navona zu vergleichen, bleibt nach wie vor schleierhaft. Nichts, aber auch gar nichts ist hier geschaffen worden, das zu einem lebendigen Viertel hätte werden können. Lärmende Partys wie am Brüsseler Platz werden hier auch nicht gefeiert. Wozu auch, es gibt weder Flair noch entsprechende Gastronomie. Nichts! Außer Anwohnern (und einer ihre Interessen vertretenden Immobiliengesellschaft), denen es nicht ausreicht, schon ein allein aufgrund ihres Reichtums privilegiertes Leben zu führen, die ihre Abgehobenheit auch räumlich unterstreichen wollen, die bewusst auf Distanz gehen, die den großen Rest der Bevölkerung in „ihrem“ Viertel nicht sehen wollen, und jedem ihren Sonderstatus noch einmal kräftig unter die Nase reiben müssen.
Vielleicht sollten sich die Kölner diesen eigentlich öffentlichen Raum wieder aneignen. Wie wäre es mit regelmäßigen Protestversammlungen auf dem Gereonshof? Man muss ja nicht verweilen, aber flanieren könnte man schon. So eine Art Schleichprozession auf dem schmalen, großzügig gewährten Passierstreifen, auf und ab, Tag und Nacht, unter dem Motto „Wir sind die Kölner“. Vielleicht ist den Geld-Asis dann doch irgendwann lieber, wenn sich hin und wieder jemand mit seinem Eis an den Brunnen setzt.
*Für Nicht-Kölner: Hochnäsig