Nicht nur Lockerungsorgien vergnügen im Moment das Land, sondern vor allem Geldverteilungsorgien. Leider geht das Geld wie üblich nicht dahin, wo es hingehört.
Bundes- und Landesregierungen überbieten sich gerade gegenseitig mit Millionen und Milliarden, die urplötzlich zur Verfügung stehen. Höhere Sozialhilfesätze konnten wir uns nicht leisten, mehr Sozialarbeiter, Kranken- und Altenpfleger oder Jugendheime auch nicht. Öffentliche Krankenhäuser sollten im Dutzend geschlossen werden, das Rentenniveau sinken. Denn nichts war uns heiliger als die Schwarze Null und das Investitionsklima. Oder höhere Löhne in den Sozialberufen? Da wären ja unsere Privatkliniken (Anteil in Deutschland mittlerweile über 30%; bei den Pflegeheimen fast 50%!) nicht mehr so profitabel! Rentabel allemal, aber die Rendite hätte den Investoren nicht gereicht.
Jetzt plötzlich sind im Pflegebereich satte 1 – 3 € Euro Stundenlohn mehr drin (wie armselig das in Wirklichkeit ist, s. https://www.myview-wolfgangmebs.de/die-zwickmuehle-schaeuble-und-das-leben/). Und wie vielen im Wirtschaftsleben bisher unbeachteten, als selbstverständlich betrachteten Menschen die Existenzgrundlage wegbricht, weil die meisten Kulturschaffenden und Kleinstunternehmer von der Hand in den Mund leben, hat man ja immerhin endlich bemerkt. Aber die große Kohle, die man urplötzlich, scheinbar aus dem Nichts beschaffen kann, als hätte unsere Regierungen eine Schatztruhe voller Golddukaten im Keller des Bundestages entdeckt, die geht mit sozialpolitischer Dreistigkeit genau dahin, wo sie schon immer war: auf den großen Haufen.
Der Staat soll sich ja, sattsam bekanntes Mantra der in den Neoliberalismus verliebten Wirtschaft und ihrer Lobbyisten, gefälligst heraushalten aus ihrem Heiligtum, dem alles zum Guten richtenden Markt. Das hat sie natürlich nie daran gehindert die Hände groß wie Schaufeln für Subventionen zu öffnen. Und jetzt erst recht. Marktbereinigung? Überleben nur der Besten, derer die am effizientensten wirtschaften und die besten, die innovativsten Produkte liefern? Ach was, da behüte uns der Staat vor.
Dass eine Alleinerziehende ein paar Euro mehr braucht, weil ihr Kind kein Schulessen mehr bekommt, muss natürlich genauestens überprüft werden. Dass ein Konzern wirklich vor der Pleite steht – iwo. Da reicht ein Hinweis auf den Lockdown. Da muss nicht offengelegt werden, wie hoch denn die Reserven sind. Da werden großzügig Millionen verteilt wie Kamelle zum Karneval. Wie einfach man es dabei zudem Betrügern gemacht hat, kann man beispielhaft in NRW besichtigen. Hier ging die Landesregierung wohl davon aus, dass es kriminelle Energie nur bei Sozialhilfeempfängern gibt. Der Gipfel dabei ist, dass die Regierung bereit ist, selbst den Firmen finanziell zu helfen, die dermaßen in der Bredouille stecken, dass sie sogar satte Dividenden zahlen können (Daimler plant 90c / Aktie; das wären insgesamt rund 1 Mrd. €). Chapeau, liebe CEOs. Da habt ihr ganze Arbeit geleistet. Oder hat da ein Tässchen Kaffee zum Frühstück mit dem Wirtschaftsminister oder einem Staatssekretär schon gereicht? Oder einfach nur eine Mail mit der gewünschten Summe?
BASF, Daimler, VW und die Mehrzahl der börsennotierten Unternehmen wollen eine Dividende auszahlen. Und den meisten Managern fällt es gar nicht ein auf Boni zu verzichten. Mal sehen, was bei der Lufthansa passiert, die mit Milliarden subventioniert werden soll, aber selbstverständlich keine Mitsprache akzeptieren, noch auf die Belohnung ihrer Aktionäre verzichten will. Laut Hildegard Müller, der Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), müssten Aktionäre bei der Stange gehalten werden, um vor ausländischer Übernahme zu schützen (Interview des Deutschlandfunks). Ach ja. Daimler gehört ja den Deutschen. Z.B dem Staatsfonds von Kuwait, Renault-Nissan und dem chinesischen Investor Li Shufu. Der Anteil deutscher Investoren an Daimler Aktien beträgt 32 %. Allerdings befinden sich über 80 % in Streubesitz. Ähnlich sieht es bei VW und BASF aus. Und Frau Müller fürchtet ernsthaft eine feindliche Übernahme, weil einmal keine Dividende gezahlt wird? Und im Wirtschaftsministerium glaubt man das? Gründe für den Kauf größerer Aktienpakete gibt es mit Sicherheit genug. Warum aber nur deutsche Anleger abspringen und überwiegend an ausländische Investoren verkaufen sollen (die, man höre und staune, auch keine Dividende erhalten würden), erschließt sich jedenfalls keinerlei Logik – außer der, der Öffentlichkeit irgendeine Begründung unterschieben zu müssen.
Dreist ist auch die Behauptung man würde ja gar keine staatlichen Gelder in Anspruch nehmen (so u.a. Daimler-Konzernchef Ola Källenius). Und wer bezahlt die eingesparten Löhne beim Kurzarbeitergeld – das auch Daimler für tausende Beschäftigte beantragt hat? Und die entsprechenden Sozialbeiträge?
Interessant ist natürlich auch, wer denn eigentlich diese Dividenden kassiert. Jedenfalls nicht die 50% der Deutschen, die über gar kein Vermögen verfügen. Es sind überwiegend wieder Firmen und Konzerne selbst über ihre wechselseitigen Beteiligungen, es sind Banken und Investmentfonds. Das Geld bleibt also quasi unter sich, unter denen, die zu Hauf ihre prekäre Situation bejammern.
Dass die Lage schwierig ist, bestreitet ja keiner, aber erstens ist nicht jedes Unternehmen, das lauthals schreit, wirklich gefährdet. Und zweitens sollte es auf keinen Fall Staatsgelder geben für Unternehmen, die dieses Jahr Boni zahlen und/oder Dividenden ausschütten. Letzteres gilt übrigens bereits für Kredite der KfW, der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Wieso nicht generell? Drittens sollten wir uns ein Beispiel an Dänemark nehmen, das keinem Unternehmen Corona-Subventionen überweist, das seinen Sitz in Steueroasen hat. Dann müsste sich die Lufthansa zuerst aus Panama und den Kaimaninseln verabschieden, wo sie Tochterunternehmen angesiedelt hat. Leider war man auch in Dänemark nur halbherzig, da europäische Steueroasen (wie Holland, Irland, Malta) und Steuerspar-Konstruktionen (wie das lustig klingende „Double Irish, Dutch Sandwich“) ausgenommen wurden.
Völlig unsinnig ist auch die neue Version der Abwrackprämie, die fälschlicherweise auch noch als damaliger Erfolg gewertet wird. Von VW, BMW, Daimler etc. Auch hier ist die Automobil-Lobby sehr erfolgreich, zum Leidwesen der Staatskasse und derer, die Subventionen wirklich nötig hätten. Mal davon abgesehen, dass diese staatlichen Zuschüsse auch, wahrscheinlich sogar überwiegend, in ökologisch veraltete Technologien investiert werden, sind sie auch ökonomisch mehr als fragwürdig, denn – wie auch schon bei der Abwrackprämie – folgt der Absatzeinbruch im nächsten und übernächsten Jahr. Denn niemand kauft, da es gerade so günstig ist, dieses und nächstes Jahr ein neues Auto. Zu allem Überfluss handelt es sich hierbei mal wieder um sozialpolitischen Unfug. Wer ist, gerade jetzt, in der komfortablen finanziellen Situation, sich mal eben ein neues Auto leisten zu können? Selbst bei einem Zuschuss von 5.000 € sind das für einen Mittelklassewagen immer noch ca. 25.000 €. Das entspricht ungefähr dem jährlichen Medianeinkommen in Deutschland! Letztlich werden auf diese Weise Millionen von Euro an die obere Mittelschicht und darüber verschenkt, an die 25-30 %, die sich ein neues Auto auch ohne Prämie leisten können. Wobei ich jetzt nicht von der Definition von Friedrich Merz ausgehe (s.a. https://www.myview-wolfgangmebs.de/vor-merz/).
Wenn es dagegen demnächst daran geht die Rechnung zu bezahlen, sprich die Staatskassen wieder zu füllen, wird man sich mit Sicherheit wieder an das untere Drittel erinnern.