„All cops are berufsunfähig“ – so betitelt Hengameh Yaghoobifarah ihre von Einigen heftig kritisierte, wohl satirisch gemeinte Kolumne in der taz1.
Nun muss Satire bis zu einem gewissen Grad verallgemeinern, sie muss auch übertreiben und sie darf auch scharfe Attacken reiten, wenn es nicht bei einer Glosse bleiben soll. Dennoch hat Frau Yaghoobifarah mit diesem Text völlig danebengegriffen.
Sehr seltsam ist schon der Kontext, in den sie ihre Satire stellt. Dass irgendwo (selbst in den USA) von einer Abschaffung der Polizei die Rede wäre, ist mir völlig entgangen. Und was das mit dem Kapitalismus und den nachfolgenden Ausführungen zu tun hat, vermag ich auch nicht zu erkennen. Es sei denn sie ist der Meinung, dass es nur im Kapitalismus Lehrer, Ärzte und Briefträger gibt.
Niemand kann ernsthaft bestreiten, dass es gerade in Sicherheitskräften einen höheren Anteil an Ordnungsfanatikern und autoritären Persönlichkeiten gibt als in anderen Berufen. Davon ausgehend erklärt Yaghoobifarah alle Polizisten zu Faschisten und rechtsradikalen Terroristen und somit zu einem Sicherheitsrisiko, zu Leuten, die man nicht wie „nach 1945“ überall arbeiten, nicht in die Nähe von Menschen, nicht mal von Tieren lassen dürfe, schließlich könnten sie Bomben in Briefkästen werfen, in Baumärkten Brandsätze basteln, Nagelfeilen zu Waffen umfunktionieren oder Hakenkreuze auf Keramiktassen malen.
So vereinfachend, so übertreibend, so – naja.
Doch dann kommt der letzte Absatz. „Spontan fällt mir nur eine geeignete Option ein: die Mülldeponie. Nicht als Müllmenschen mit Schlüsseln zu Häusern, sondern auf der Halde, wo sie wirklich nur von Abfall umgeben sind. Unter ihresgleichen fühlen sie sich bestimmt auch selber am wohlsten.“
Muss man einer Journalistin, die sich für links hält, tatsächlich erklären, was man rechten Politikern und Parteien doch völlig zu Recht vorwirft: dass aus hetzerischen Worten Taten werden, und dass es eine der üblichen Strategien ist, unliebsame Personengruppen, Andersdenkende und politische Gegner zu entmenschlichen, um sie zum wohlfeilen Ziel jedweder Aggression zu machen, zu Ratten, zu Schmeißfliegen, zu Unrat? Vor allem einer Kolumnistin, die selber gerne und oft anderen Menschenverachtung vorwirft2? Wieso bedient sich eine Frau, die Medienkulturwissenschaften studiert hat, solcher vor allem bei Rassisten und Faschisten beliebten Methoden? Entweder, sie hat wenig gelernt, hat keine Nazi-Propagandafilme gesehen, hat nichts gelesen über Dehumanisierung von Juden, Indianern, Schwarzen, Dissidenten oder Intellektuellen von Deutschland bis Amerika, von Russland bis Kambodscha. Oder sie hat ihre Kolumne völlig unreflektiert einfach so heruntergeschrieben.
Da kann man nur sagen: Not all journalists are berufsfähig.
1 https://taz.de/Abschaffung-der-Polizei/!5689584/Zugriff 23.6.20
2 Wie zum Beispiel der Kabarettistin Lisa Eckart (https://taz.de/Lisa-Eckhart-und-der-Antisemitismus/!5679755/)
4 Antworten auf „Berufsfähig?“
Diese taz- Satire ist nicht witzig, eher dumm, verallgemeinernd und richtet sich wohl nur an die eigene Blase. So weit, so schlecht. Der letzte Satz (unter ihresgleichen..) kann so verstanden werden, dass Müll das Gleiche ist wie Polizisten bzw umgekehrt – dann ist er menschenverachtend. Er kann auch so verstanden werden, dass auf der Halde dann nur Ex-Polizisten arbeiten, die sind dann unter ihresgleichen und fühlen sich wohl. Auch dumm, aber nicht menschenverachtend. Auch dann stellt sich m E. die Frage der Berufsfaehigkeit.
Diese Überlegung hatte ich auch – aber nur kurz. Denn der Kontext mit ‚Abfall‘ scheint mit doch zu offensichtlich.
beim Fazit bin ich bei dir, dass war daneben was die Dame schreibt.
Nachfragen wollte ich dass dir entgangen wäre das man die Polizei abschaffen wolle. Die Schlachtruf „Defund the Police“ der bei Protesten oft gerufen wurde, hattest du aber schon gehört, oder?
https://www.theguardian.com/us-news/2020/jun/04/defund-the-police-us-george-floyd-budgets
https://edition.cnn.com/2020/06/24/world/defund-police-crime-social-welfare-intl/index.html
https://www.washingtonpost.com/outlook/2020/06/22/democrats-should-steer-clear-defunding-police/
https://www.cnbc.com/2020/06/15/what-it-actually-means-to-defund-the-police.html
Ja, sicher, aber da geht es nicht um Abschaffung, sondern um Kürzung der Budgets, und die anderweitige Verwendung der Gelder, z.B. für Sozialprojekte. Die zweite Forderung betrifft die Auflösung bisheriger Dezernate etwa in Minneapolis oder Los Angeles und eine Umstrukturierung und Neuorganisation, um neue Rekrutierungs- und Ausbildungsmethoden.