Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundeswirtschaftsministerium hat in einem neuen Gutachten keine guten Nachrichten, was das Rentensystem betrifft, und hat u.a. eine höhere Altersgrenze gefordert. Dagegen hat sich nun ein Sturm der Entrüstung erhoben, von links bis rechts. Sogar Susanne Hennig-Wellsow von den Linken und Alexander Dobrindt von der CSU sind sich einig. Donnerwetter, da muss der Beirat ja Außerirdisches verkündet haben.
Olaf Scholz, hellsichtig wie immer, meint, das Problem schon erkannt zu haben: Die Leute hätten falsch gerechnet und über die Rente würde er lieber mit „echten Experten“ reden. Natürlich. Typisch Scholz, der sich ja bekanntermaßen immer von den echtesten Experten beraten lässt und allem gründlich auf den Grund geht, wie er bei Cum-Ex und Wirecard so eindrucksvoll bewiesen hat. Die echten Fachleute, die im Beirat sitzen, erspare ich mir hier aufzuzählen. Das soll Olaf „Ich-weiß-von-nix“ Scholz selber googeln.
Interessant ist die öffentliche Rezeption dieses Gutachtens. Arbeiten bis 68? Skandal!!! Fertig. Dass der Beirat einen sozialen Ausgleich fordert für Menschen, die in gesundheitlich besonders belastenden Berufen arbeiten, dass er mehr Flexibilität beim Antritt der Rente fordert – da müsste man ja genauer hinlesen. Wieso will man eigentlich partout an der starren Altersgrenze festhalten angesichts immer älterer und gleichzeitig fitter Menschen? Die gibt es nämlich auch, Menschen, die freiwillig gerne weitermachen würden.
Statt sich ernsthaft mit den Analysen auseinanderzusetzen, werden lieber schlichterdings unsoziale Reformen wie das weitere kontinuierliche Absenken des Rentenniveaus geplant und unbrauchbare Vorschläge wiederholt.
Wie die Einbeziehung der Beamten und Selbstständigen. Sicher wäre es schön gewesen, wenn das schon vor Jahrzehnten geschehen wäre, warum das jedoch eine Lösung unseres Rentenproblems sein soll, ist mir schleierhaft.
Im Gegensatz zu dem von der deutschen Boulevard-Öffentlichkeit gefühlten Millionenheer, gibt es real in Deutschland 1,7 Mio. Beamte. Bei 44 Mio. Erwerbstätigen. Und diese rund 4 % mehr Einzahler sollen unsere Rettung sein?
Bei den Selbstständigen sieht es nicht besser aus. Das sind immerhin schon rund 5 Mio. Aber da herrscht der Irrglaube vor, das wären alles Spitzenverdiener, die so richtig saftig in die Rentenkasse einzahlen würden. Von der Beitragsbemessungsgrenze einmal abgesehen, hat doch gerade erst die Corona-Pandemie drastisch aufgezeigt, wie viele davon Solo-Selbstständige sind, die mehr schlecht als recht über die Runden kommen, und deshalb wenig in die Rentenkassen einzahlen würden. Außerdem darf durchaus auch registriert werden, dass diese Leute später Leistungsempfänger sind.
Das grundlegende demografische Problem lösen diese Vorschläge ebenso wenig wie die des Beirats. Und die zahlreichen Ungerechtigkeiten blieben bestehen.
Die einzig zukunftsweisende Lösung ist entweder die Umstellung auf eine komplett steuerfinanzierte Rente, wobei die Umstellung nur langfristig und äußerst kompliziert wäre. Was die Kosten angeht, sollte berücksichtigt werden, dass über den Bundeszuschuss bereits heute 28 % des Haushalts in die Rentenkasse fließen. Bliebe alles beim Alten, rechnet der Beirat in den nächsten 10 – 15 Jahren mit einem Anstieg auf satte 60 %.
Dem wird oft entgegengehalten, dass dann die Höhe der Rente allein von der jeweiligen Exekutive und somit politischer Opportunität abhängig wäre und jederzeit gesenkt werden könne. Als wäre das nicht bereits jetzt der Fall (s. Absenkung des Rentenniveaus)!
Es gäbe natürlich auch noch einen anderen Weg. Wie wäre es, Herr Scholz, Herr Dobrindt, Herr Lindner, wenn Sie sich mal mit ein paar Experten zum Thema Grundeinkommen unterhalten? Mit offenen Ohren!