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Lindner for Bundeskanzler

Die Sondierungen sind beendet und es wird deutlich, in welche Richtung es gehen wird mit der Ampel. Und eines ist völlig klar: Wenn die Koalitionsverhandlungen nicht doch noch scheitern sollten, steht die Ampel jedenfalls nicht auf grün. Vorwärts gehen wird es also nicht. Auf rot steht sie auch nicht, sondern strahlt erschreckend gelb. Kein Stillstand, kein Aufbruch, sondern ein bisschen hin und her ruckeln auf der Stelle.

Die Sozialhilfe soll nicht reformiert, sondern in “Bürgergeld” umbenannt werden. Ein gerechteres Steuersystem wurde bereits in den Vorgesprächen über Bord geworfen. Konsequente Umweltpolitik bleibt ein Thema fürs journalistische Feuilleton. Das sind also die grandiosen Gemeinsamkeiten, die man gefunden hat? Jeder muss auch etwas geben können, sagte Habeck. So, so. Und was, bitteschön, hat die FDP gegeben? Bei welchem Punkt hat man ihr abverlangt, über ihren ideologischen Schatten zu springen? Wenn das die ernstgemeinten Grundlagen der Koalitionsgespräche sind, könnt ihr auch gleich Lindner zum Kanzler machen.

Der Ausstieg aus der Kohle ist plötzlich nur noch “idealerweise” erwünscht, sprich gestrichen, schließlich sind hier Realpolitiker am Werk. Tempolimit – Fehlanzeige. Pflanzenschutzmittel auf ein “notwendiges Maß” beschränken. Erzählen uns die Landwirtschaftsverbände nicht dauernd, das wäre doch schon so? Und definiert das dann ein/e FDP Minister/in? Die EEG-Umlage wird gestrichen. Also auch die Subventionierung erneuerbarer Energien? Dann macht es natürlich Sinn, weiter Kohle zu verstromen.

12 Euro Mindestlohn – Donnerwetter, was für eine Kröte für die FDP. Die dafür die gewünschte Flexibilisierung der Arbeitswelt bekommt, z.B. bei den Arbeitszeiten. Mietendeckel? Doch nicht mit der FDP! Auch bei der Rente stolzgeschwollene FDP-Brust aufgrund der zumindest teilweisen kapitalgedeckten Rentenversicherung. Da strahlt der Hartz-IV Empfänger.

Auch auf dem Land soll es schnelles Internet geben. Wie innovativ. Wollte ja sonst keiner. “Qualifizierte Fachkräftestrategie”. Tolles Wort. Soll sogar auf Migranten angewendet werden. Und heißt ja wohl, dass alle anderen draußen bleiben.

Selbstverständlich ist die Vermögenssteuer schon vor den Detailverhandlungen vom Tisch. Dasselbe gilt für Einkommens- und Unternehmenssteuern. Da müssen SPD und Grüne aber so was von zäh verhandelt haben, dass sie entsprechende Senkungen (bisher) verhindert haben!

Und wo soll dann das Geld herkommen für all die angekündigten Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Umweltschutz? Aus den üblichen Quellen natürlich: Der gesamte Haushalt soll durchkämmt werden auf der Suche nach “überflüssige[n], unwirksame[n] und umwelt- und klimaschädliche[n] Subventionen”. Man darf gespannt sein, was dann irgendwann einmal gefunden werden wird. Vielleicht die Million für die Tiernahrungsindustrie? Die reduzierte Mehrwertsteuer für tierische Produkte? Oder die sechs Millionen für den Elektro-Porsche? Und ob sich die Automobilindustrie das gefallen lassen wird? (Letztes Jahr erhielt die übrigens noch mal drei Milliarden obendrauf, fünfmal soviel, wie der Bundesregierung die Anschaffung von Computern für arme Kinder wert war.)

Bei der Außenpolitik haben sich die drei wirklich ins Zeug gelegt, nichtssagende Formelkompromisse und Formulierungen zu finden, die zumindest teilweise selbst von der MLPD und der AfD unterschrieben werden könnten. “Außenpolitik aus einem Guss”, eine “Offensive gegen Desinformation”, “multilaterale Kooperation in der Welt”. Und darüberhinaus übt man sich in der Quadratur des Kreises. In der Flüchtlingspolitik z.B.. Da soll es beschleunigte Familienzusammenführung und beschleunigte Abschiebungen geben, “schnellere Verfahren” und dennoch “mehr Humanität”. Na, wenn das keine ehrgeizigen Ziele sind.

Als Fazit bleibt festzuhalten: Wenn aus diesem Sondierungspapier ein Koalitionsvertrag wird, dann gibt es entweder nach den berühmten ersten 100 Tagen einen Koalitionskrach nach dem anderen und in spätestens einem Jahr fliegt die Ampel auseinander, oder SPD und Grüne brauchen bei der nächsten Wahl keinen Kanzlerkandidaten mehr. Da bleibt nur noch die Hoffnung auf mehr Rückgrat in den jetzt folgenden Verhandlungen – oder auf die Parteitage von SPD und Grünen, die diesem absurden Drama ein abruptes Ende bereiten.

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2 Antworten auf „Lindner for Bundeskanzler“

Hut ab an alle die es schaffen trotz dieser ständigen Wiederholung, an der Politik interessiert zu bleiben und weiter auf etwas besseres hoffen.

Ein konstanter Zyklus von viel wird versprochen für die Wahl, wenig wird gehalten nach der Wahl und dann sind die 4 Jahre schon quasi wieder vorbei und die nächste Truppe rückt an wieder viel zu versprechen.

Sind da oben irgendwo noch Leute die wirklich regieren wollen, oder ist es nur noch eine große PR Kampagne um die Bürger ruhig zu halten?

Wenn selbst das reiche Deutschland auf einer Welle der Unterstützung für den Umweltschutz es nicht schafft eine Co² Steuer an den Start zu bringen, kann man für die anderen Länder ja nur noch schwarz sehen.

Es ist schon fast bemerkenswert das es die Politiker trotz extrem niedriger Erwartungen, immer noch schaffen zu enttäuschen.

Wie sehr das zutrifft, wird sich ja in Kürze zeigen. Aber wenn ich mir so anhöre, was da bisher abläuft in den Koalitionsverhandlungen, sehe ich meine Befürchtungen bestätigt. Z.B.: Auf Seite 1 im Kölner Stadtanzeiger: CO² Konzentration auf Höchststand; S. 3: Zweifel, ob Kohleausstieg ‘schon’ 2030 kommt. Aber schon im Sondierungspapier war ja nur von “idealerweise” und “wünschenswert” die Rede. Und wie das mit Idealen und Wünschen so ist …

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