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Migration, wie sie uns gefällt

Während die meisten EU-Parlamentarier noch der Illusion anhängen, Europa sei der einzige Hort der Menschenrechte und die EU der Vorkämpfer für Gerechtigkeit in der Welt, reden andere längst Klartext. Migration als Chance? Aber ja. Allerdings nur für uns.

Beispielhaft ein Vertreter einer Partei, die sich nach eigener Verblendung dem Sozialen christlicher Ausprägung verschrieben hat: der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber (csU). Schon vor drei Monaten forderte er, passend kurz vor Weihnachten, den Bau von Zäunen an den Außengrenzen der EU, um der Bedrohung durch die Migrantenflut Herr zu werden. Wobei man keine Glaskugel braucht, um vorhersagen zu können, dass er damit wohl eine nicht allzu ferne, erschreckende Zukunft beschreibt. Schließlich sind Pushbacks heute schon Alltag.

Nun ist Herr Weber nicht grundsätzlich gegen Einwanderung. Es müssen halt nur die Richtigen sein. Und an wen er da denkt, hat er jetzt in einem Streitgespräch in der Zeit in dankenswerter Offenheit dargelegt:

„Aber die vielen Tausend Migranten, die keinen Bleibegrund haben und aus der Motivation heraus kommen, ein besseres Leben zu haben, sind nicht die, die wir für den Arbeitsmarkt brauchen.“ 1

Welch eine Dreistigkeit aber auch! Die wollen nur ein besseres Leben führen? Wo kämen wir denn dahin, wenn das als Grund reichen würde, solche Menschen nach Europa einwandern zu lassen? Ein besseres Leben führen, das ist ein Ziel, das wir Europäer für uns reserviert haben. Wen Gott in ein Armutsviertel in einem armen (von Europäern Jahrhunderte lang ausgebeuteten) Land verpflanzt hat, der hat eben Pech gehabt. Der muss halt warten, bis er tot ist, dann wird alles besser.

Nein, solche Leute können wir hier nicht gebrauchen. Wer hier hin und womöglich sogar bleiben will, dessen einziges Ziel muss es sein, für uns zu arbeiten, und zwar, wie das für uns Deutsche üblich ist (Stichwort Leitkultur!), hart zu arbeiten. Sein Bestreben sollte allein die Steigerung des deutschen ‘Sozialprodukts sein. Und da sind Handlanger wenig profitabel. Der von Herrn Weber geduldete Einwanderer hat eine mindestens gute (akademische) Ausbildung in den Berufen, die uns gerade fehlen. Das hat zwei unbestreitbare Vorteile. Wir sparen uns die Ausbildungskosten, die freundlicherweise das Heimatland übernommen hat, und können diese Menschen sofort effektiv und gewinnbringend einsetzen.

Dass dieser Braindrain sich entwickelnde Länder massiv ausbremst – geschenkt. Business as usual. Schließlich geht es darum, unseren erbgeschichtsrechtlichen Anspruch auf die ökonomische Vormachtstellung zu erhalten. Ob Herr Weber bereit wäre diesen Ländern wie im Sport eine Ablösesumme zu zahlen, sagen wir 250.000 € für jeden Auswanderer mit abgeschlossener Berufsausbildung, eine halbe Million für Ingenieure? Da habe ich so meine Zweifel.

Für Politiker des Schlages Weber ist die Sache ganz einfach: Wir können keine egoistischen ‚Wirtschaftsflüchtlinge‘ (damit meint er übrigens nicht Steuerflüchtlinge) gebrauchen, die sich ein festes Dach über dem Kopf, sauberes Wasser und Sicherheit für ihre Kinder wünschen. Ein besseres Leben führen als unsere Vorfahren, das ist für unsere eigenen Söhne und Töchter reserviert und gilt bei Europäern als ganz natürlicher Ehrgeiz. Und selbst für die wird das doch schon schwer genug. Außerdem muss doch jedem längst klar sein: Es kann auf einer Erde mit endlichen Ressourcen nicht jeder einen SUV fahren, einen 100-Zoll-Fernseher und einen Saugroboter haben. Das müssen die Leute da unten im Süden doch verstehen.

Ob die das einsehen? Ob das christlich-sozial gedacht und gehandelt ist? Ob wir Reichen irgendwann einmal bereit sind, auf unsere angemaßten Privilegien zu verzichten, eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung zu schaffen und so eine echte und nachhaltige Entwicklung des Südens und ein menschenwürdiges Leben in der Heimat zu ermöglichen? Auch da habe ich gewaltige Zweifel. Eher bauen wir Zäune, Mauern und Selbstschussanlagen.

1 Manfred Weber, Die Zeit, 16.2.23

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