Vom Krieg in der Ukraine abgesehen, gibt es momentan nur noch ein Thema in Deutschland: die Inflation. Und die scheint viele Deutsche weit mehr zu schrecken als die potenzielle Eskalation des Krieges oder die künftigen Hungersnöte in den ärmsten Regionen der Welt. Während Zig-Millionen ohne schnelle Gegenmaßnahmen in den nächsten Monaten, wenn nicht Jahren verhungern werden, kennen bei uns viele Politiker und Bürger nichts Bedrohlicheres als den Benzinpreis.
Nun gibt es aber auch bei uns in Deutschland tatsächlich Menschen, für die die hohen Inflationsraten eine massive Bedrohung darstellen – aber auch für sie wird nichts wirklich Effektives getan. Stattdessen reagiert die Gelbe Koalition mit den üblichen, weitgehend untauglichen Mitteln: Wie immer verteilt der ‚Sozial‘-Staat Milliarden von Euro, die nicht denen zugutekommen, die sie bräuchten.
Die Pendlerpauschale. Eigentlich ist dazu längst alles gesagt. Von der Erhöhung hat kein/e einzige/r Mini-Rentner/in etwas. Die meisten Mini-Jobber, jedenfalls in den städtischen Regionen, fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit (denen hilft auch ein dreimonatiges 9-Euro-Ticket nicht, oder glaubt jemand, die Inflation richtet sich danach?). Und sie ist extrem unsozial, denn der größte Teil der Rückzahlungen fließt in die Taschen deren, die die höheren Steuersätze zahlen. Also derer, die die Inflation von 5 oder auch 10 % durchaus verkraften können.
Dieselben Argumente gelten für niedrigere Benzinsteuern und Tankgutscheine. Die nehmen auch Porschefahrer (wie unser Mittelstandspropagandist Lindner) gerne mit, an deren Lebensstandard selbst doppelt so hohe Superpreise nichts ändern würden. Zu Rentnern, Sozialhilfeempfängern, Mini-Jobbern, Geringverdienern, Aufstockern – siehe oben.
Und dann ist da noch die Allzweckwaffe Mehrwertsteuer. Die soll gesenkt und für Lebensmittel, vor allem Gemüse und Obst ganz wegfallen. Zunächst mal hat die Steuersenkungspartei FDP etwas dagegen, schließlich ist sie ja nicht angetreten, die Interessen der ‚Nicht-Leistungsträger‘ zu vertreten. Um 60 Mrd. will sie die Unternehmen entlasten, da kann Lindner doch nicht auch noch auf die 5 Mrd. (für Obst und Gemüse) oder gar 8 Mrd. (alle Lebensmittel mit reduziertem Steuersatz) aus der Mehrwertsteuer verzichten. Doch nicht für das unproduktive, leistungsschwache Fußvolk!
Zum anderen: Eine echte Entlastung wäre die Streichung aber in der Tat auch nicht. Zwar würden davon Geringverdiener insofern stärker als andere profitieren, da sie einen prozentual höheren Anteil ihres mickrigen Einkommens für Lebensmittel ausgeben. Das aber täuscht eine soziale Wohltat vor, die sie nicht ist!
Nehmen wir einen Hartz IV-Empfänger. In dessen Sozialleistung sind momentan 155,82 € für Nahrungsmittel vorgesehen. Würde er sich ausnahmslos von Obst und Gemüse ernähren, hätte er durch die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf diese Produkte also sagenhafte 10,90 € mehr im Monat zur Verfügung. Das sind immerhin 36 Cent pro Tag.
Der größte Batzen der dem Staat entgehenden 5, bzw. 8 Mrd. ginge allerdings in andere Taschen, nämlich in die der Mittel- und der Oberschicht. Die mögen zwar einen geringeren Anteil ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben, absolut aber deutlich mehr als Sozialhilfeempfänger etc.. Sie würden somit deutlich überproportional entlastet. Menschen, die wenig bis keinerlei Probleme mit der Inflation haben.
Wie wäre es stattdessen mit gezielten und damit effektiven Staatshilfen? Zum Beispiel für Spediteure, Handelsvertreter, Verkaufsfahrer, vor allem für die Tausenden Scheinselbstständigen unter ihnen? Und vor allem: Wie wäre es mit einer Erhöhung der Sozialhilfe, mit einer Erhöhung des Miet- und Heizkostenzuschusses statt einer schnell verpufften Einmalzahlung?
Würde die Pendlerpauschale (durch die sich übrigens das verfügbare Einkommen der ärmsten 20 Prozent der deutschen Haushalte um gerade mal 0,33 Prozent erhöht) abgeschafft, stünden dem Staat 6,5 Mrd. € mehr zur Verfügung. Die niedrigere Mineralölsteuer kostet allein für die avisierten 3 Monate 10 Mrd. € (hört man sich die momentane Diskussion an, wird es dabei aber höchstwahrscheinlich nicht bleiben). Nähmen wir allein das Geld aus Pendlerpauschale und Mehrwertsteuer (Obst und Gemüse) kämen wir also schon mal auf rd. 12 Mrd. €. Fast 7 Mio. Menschen beziehen in Deutschland auf die eine oder Art Leistungen zur ‚sozialen Mindestsicherung‘, wie es so schön heißt. Mit anderen Worten, ließen wir dieses Geld allein den wirklich Bedürftigen zukommen, wären das rund 1.700 € pro Jahr pro Person!
140 € pro Monat statt 10,90 €. Mit demselben Geld. Nicht auszudenken, was man mit den anderen 10 Mrd. aus der Mineralölsteuer sonst noch machen könnte. Wenn es einen wirklich effektiven Sozialstaat in Deutschland gäbe.