Wie bei Ex-Politikern üblich, hat auch Trumps ehemaliger Nationaler Sicherheitsberater, John Bolton, ein Buch geschrieben. Ebenso wenig überraschend teilt er kräftig gegen den Mann aus, den er, jedenfalls öffentlich, mal für einen großartigen Präsidenten hielt.
Aber warum macht er erst jetzt den Mund auf? Diese Informationen hätten das Impeachment gegen Trump mächtig befeuert. Wenn alles stimmt, hätte er sowohl Machtmissbrauch belegen können (er spricht plötzlich von „Behinderung der Justiz als Alltagsgeschäft“), als auch einen weiteren Versuch ausländische Regierungen für seine persönlichen Interessen einzuspannen (angeblich bat Trump den chinesischen Staatspräsidenten Xi seine Wiederwahl zu unterstützen, indem er amerikanische Sojabohnen und Weizen kauft). Stattdessen hat er sich, im Gegensatz zu mehreren seiner Mitarbeiter, sogar ausdrücklich geweigert überhaupt zum Machtmissbrauch Trumps vor dem Untersuchungsausschuss auszusagen. Erst hält er opportunistisch den Mund, und jetzt will er schlicht und wenig ergreifend mit Sensationsnachrichten den Verkauf seines Buches anheizen. Tut mir leid, Herr Bolton, auch wenn man sich Trumps Egozentrismus und seine völlige Ignoranz lebhaft vorstellen kann (so soll er nicht gewusst haben, dass Großbritannien Atommacht ist, und gefragt haben, ob Finnland zu Russland gehöre) – nein, besonders glaubwürdig macht Sie das nicht. Zudem ist all das doch längst sattsam bekannt.
Außerdem sollte man nicht vergessen, dass Bolton ebenfalls ein bornierter nationalistischer Hardliner ist, dem ebenso wie seinem ehemaligen Chefchen alle anderen außer seinen eigenen und amerikanischen Interessen völlig gleichgültig sind. In dieser Reihenfolge. So unterstützte er begeistert den Vietnamkrieg, vermied aber selbst eingezogen zu werden, indem er der Maryland National Guard beitrat (Mitglieder dieser lokalen Armeeeinheiten wurden nur selten in den Krieg geschickt). Und auch den Hang zu Desinformation und Lügen hat er mit ihm gemeinsam. Als Vorsitzender der rechten, islam-feindlichen Denkfabrik Gatestone Institute war er mitverantwortlich für die Verbreitung von Falschinformationen, Lügen und Hetze gegen Muslime (die z.B. angeblich überall auf der Welt den „großen weißen Tod“ planen). Er setzte sich ein für eine Reform des UN-Sicherheitsrates mit nur noch einem einzigen ständigen Mitglied, den USA. Den UN-Menschenrechtsrat bekämpfte er, wo er konnte. Und er war einer der Architekten des Irak-Krieges 2003 und Erfinder des Märchens von Husseins Massenvernichtungswaffen. Auch wenn man sich über jeden freuen kann, der Trump am Zeug flickt, diesem Buch kann man dennoch keinen Erfolg wünschen. Für diesen Mann sind die 2 Millionen Voraushonorar schon zu viel.
Außerdem werden Trumps Anhänger wie üblich diese Geschichten als fake news abtun. Schließlich ist Bolton nicht der erste, der aus dem Nähkästchen plaudert und alles bestätigt, was man längst über Trumps Geisteszustand und Charakter weiß. Selbst sein völlig irrationales Verhalten in der Corona-Krise und seine an galoppierenden Schwachsinn grenzenden Äußerungen konnten ihm nichts anhaben. Und auch die aktuellen Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt brauchen ihn nicht zu beunruhigen, dazu ist der Rassismus zumindest momentan noch viel zu tief in der amerikanischen Gesellschaft verwurzelt. Man wird sehen, wie lange ein Satz des amerikanischen Journalisten David French noch gilt: „Es gibt Amerikaner, die niemals zur Waffe greifen und einem Schwarzen, der eine Straße entlangläuft, nachspüren, oder einen jungen Schwarzen in regnerischer Nacht verfolgen würden – aber sie verstehen und sympathisieren mit denen, die es tun.“ (French, David. „The double injustice of unreasonable fear.“ TIME Magazine, 1./8.6. 2020; Übersetzung des Autors).
Nach wie vor kann Trump nur die wirtschaftliche Entwicklung wirklich gefährlich werden, und das kann man den amerikanischen Bürgern nicht wünschen (https://www.myview-wolfgangmebs.de/daemmerung/). Boltons ‚Enthüllungen‘ jedenfalls sind feiges Nachtreten und offensichtliche Geschäftemacherei und werden wahrscheinlich völlig belanglos bleiben.