Im Moment wird ja viel spekuliert über die Auswirkungen von Corona, und mittlerweile ist es eine Binsenweisheit: die Welt wird eine andere sein. Fragt sich nur welche.
Auf der einen Seite entwickelt sich gerade eine schon lange nicht mehr dagewesene Atmosphäre der Solidarität. Nicht nur halten sich die meisten Menschen an die Empfehlungen und akzeptieren die Einschränkungen ihres Lebens – von ein paar Dummköpfen abgesehen. Abends um neun öffnen sich viele Fenster und es wird Beifall geklatscht für all diejenigen, die einem deutlich höheren Risiko ausgesetzt sind als wir, um unsere Grundversorgung aufrecht zu erhalten und Leben zu retten, in Supermärkten, Apotheken, Altenheimen, Arztpraxen und Krankenhäusern. Und es gibt jede Menge private Initiativen, die besonders Betroffenen helfen, spontan und uneigennützig, wie Schüler, die ihre plötzliche Freiheit und Freizeit dazu nutzen für ältere Mitbürger einkaufen zu gehen.
Aber wie lange wird das anhalten? Und vor allem: wird es Konsequenzen haben? Klatschkonzerte sind ja eine nette Idee, ändern aber nichts an der prekären Lage, z.B., im Gesundheitswesen. Nach Corona muss endlich Schluss sein mit der Vorstellung, der Gesundheits- und Pflegebereich müsse am Ziel ökonomischer Effizienz ausgerichtet sein. Pflegeheime dürfen kein Sparopfer von Finanzspekulation und Renditeerwartung sein. Dienste, die für die Grundversorgung der Bürger essentiell sind, die Artikel 1 des Grundgesetzes mit Leben füllen und die Würde des Menschen sicherstellen sollen, gehören nicht in private Hand, sondern sind eine genuine Aufgabe des Staates.
Was übrigens eine generelle Lehre aus dieser Krise sein könnte. Gerade jetzt wird allen drastisch vor Augen geführt, wie wichtig ein funktionierendes Staatswesen ist. Der Markt, das Goldene Kalb der letzten Jahrzehnte, wäre nicht in der Lage eine Pandemie zu bekämpfen. Und hätten sich die radikalen Verfechter der Privatisierung und die Abbruchunternehmer des Sozialstaates, wie Westerwelle, Sinn oder Merz durchgesetzt, dann wäre unser Gesundheitssystem längst zusammengebrochen, dann hätten wir noch weniger Krankenhäuser, noch weniger Intensivstationen, noch weniger Personal. Dann hätten wir britische Verhältnisse. Dort ist das Gesundheitswesen zwar in staatlicher Hand, was beweist, dass das alleine keine Garantie für ausreichende Quantität und Qualität ist, aber dort sitzen die Deregulierer ja auch seit Margret Thatcher selbst in der Regierung. Um Ähnliches zu verhindern, wäre über eine Grundgesetzänderung nachzudenken – Verbot der Privatisierung von Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen – und über ergänzende Gesetze, die bestimmte, hohe Standards festschreiben.
Weiterhin müssen die Löhne steigen und die Arbeitsbedingungen verbessert werden, und zwar in allen Sozialberufen. Hier geht es nicht um Chefärzte, Radiologen und Schönheitschirurgen, die bereits ein auskömmliches Einkommen haben, und deren Berufe längst attraktiv genug sind, sondern um diejenigen, die die Knochenarbeit an der Basis machen, deren Arbeit bisher nicht ausreichend gewürdigt wurde, und die deshalb Nachwuchsprobleme haben. Geredet wurde darüber schon länger. Personalmangel gibt es nicht nur in der Krise, er wird nur drastisch sichtbar.
Hoffen wir auf Einsicht – und ein gutes Gedächtnis.
Eine Antwort auf „Corona – und dann?“
[…] ja in zahlreichen Medien und Kommentaren beschrieben (auch bei mir: „Corona – und dann?“/1-3: https://www.myview-wolfgangmebs.de/corona-und-dann/). Allerdings lässt, was momentan geschieht nichts Gutes […]