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Das Lieferkettengesetz – Nicht der Rede wert

Jetzt ist sie da, die Gesetzesvorlage der Bundesregierung zum Lieferkettengesetz. Stolz lächelt Bundesarbeitsminister Heil in die Kameras. Noch stolzer lächelt Bundeswirtschaftsminister Altmaier, denn das, auf was man sich da geeinigt hat, ist kaum der Rede wert. Etwas sei besser als gar nichts, argumentieren manche. Immerhin sei ein Anfang gemacht. Zugegeben. Aber was für ein Anfang, und was wird davon übrigbleiben?

Die Regelung soll zunächst ab 2023 für Konzerne mit mehr als 3.000 Mitarbeitern verbindlich gelten, ab 2024 dann auch für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten. Die Klagemöglichkeiten sind begrenzt; eine zivile Haftung von Unternehmen ist gar nicht erst vorgesehen. Immerhin sollen Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften die Möglichkeit bekommen, Betroffene vor deutschen Gerichten zu vertreten, wenn es Verstöße gegen Standards in Lieferketten gibt – eine Regelung, gegen die Wirtschaftsvertreter und führende CDU/CSU-Politiker bereits Sturm laufen, die Klagen allenfalls bei Angriffen auf Leib und Leben erlauben wollen.

Schon dieser Entwurf zeigt, dass in erster Linie ökonomische Interessen die Feder geführt und wirklich wirksame Regelungen verhindert haben.

Mit Verweis auf Corona wird den Unternehmen eine Frist von zwei bzw. drei Jahren zugestanden. Hört sich auf den ersten Blick verständlich an. Anderseits kommt eine Studie der EU-Kommission zu dem Schluss, dass es große Unternehmen durchschnittlich gerade mal 0,005 Prozent des Umsatzes kosten würde, wenn sie menschenrechtliche und umweltbezogene Mindeststandards einhalten würden.

Zweitens wären nur 2.900 deutsche Unternehmen von diesen Regelungen betroffen! Angekündigt wurden übrigens 7.000, was auch Firmen mit mehr als 500 Mitarbeitern, also nicht einmal die Masse der mittelständischen Unternehmen, einbezogen hätte. Zudem hätte es Sinn gemacht, neben der Zahl der Beschäftigten auch die Höhe des Umsatzes zu berücksichtigen. Schließlich hängt der Einfluss und die Reichweite eines Betriebes auf seinem Markt nicht allein von der Anzahl der Mitarbeiter ab.

Drittens gilt die Verantwortlichkeit, entgegen Heils vollmundiger Ankündigung, nur für das erste Glied der Lieferkette. Um die Anforderungen des Gesetzes einzuhalten, genügt es also, die Lieferkette schlicht zu verlängern, z.B. durch weitere Auslagerungen von evtl. zu beanstandenden Produktionsanlagen und –verfahren. VW, BMW etc. bräuchten nur ein neues Werk in China zu bauen allein für die Endmontage, und schon könnten sie weiter alle Vorprodukte aus uigurischer Zwangsarbeit unbehelligt verwenden.

Zudem wurde die letztes Jahr noch angekündigte zivilrechtliche Haftung auf Druck Altmaiers nicht in den Entwurf aufgenommen. Darauf ist er stolz. Sie hätte es Betroffenen ermöglicht, Schadensersatzforderungen aufgrund von Menschenrechtsverletzungen geltend zu machen, z.B. bei Ausbeutung, Verschmutzung von Wasser oder Zerstörung von Nahrungsquellen. Das wäre mal ein scharfes Schwert gewesen für die Durchsetzung von Menschenrechten in den Sweatshops der globalen Lieferketten.  

Stattdessen könnte es noch schlimmer kommen, denn das, was jetzt vorgelegt wurde, nennt sich „Referentenentwurf“. Das ist nichts weiter als eine von der Ministerialbürokratie ausformulierte Gesetzesvorlage, die erst noch dem Bundeskabinett vorgelegt und dort von der Ministerrunde und der Bundeskanzlerin abgesegnet werden muss. Vielleicht aber wird sie auch noch abgeändert oder ganz in das zuständige Referat zurückverwiesen. Nach der Hürde Kabinett geht der Entwurf dann in die zuständigen Ausschüsse (Wirtschaft~, Rechts~, Umwelt~, Sozialausschuss; der Wirtschaftsausschuss wird vermutlich federführend werden), das heißt, dahin, wo die eigentlich entscheidende Gesetzgebungsarbeit geleistet wird. Wo über die üblichen Lobbyismuskanäle und die Anhörungen Einfluss zu nehmen versucht wird, wo Politiker ihre Parteipolitik durchzusetzen versuchen, wo noch alle möglichen Änderungen vorgenommen werden, wo die endgültige Gesetzesvorlage, über die Bundestag und Bundesrat dann abstimmen werden, entsteht.

Dass sich dort Menschenrechtsgruppen und Entwicklungshilfeexperten, Verbraucher- und Umweltschützer durchsetzen werden, ist kaum zu erwarten. Nein, eher muss man davon ausgehen, dass einem zahnlosen Tiger auch noch die Krallen gezogen werden.

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