Russische Intellektuelle, Journalisten, Künstler und Regimekritiker fliehen aus Furcht vor noch massiveren Repressionen – in die Türkei! Dorthin, wo täglich Intellektuelle, Journalisten, Künstler und Regimekritiker verhaftet und mundtot gemacht werden.
Erdogan, ganz der Menschenfreund, erklärt hingegen, dass allen, die „ihren Besitz hier parken wollen […] unsere Türen natürlich offen stehen.“ Für Türken mit geistigem Eigentum hat er allerdings andere Türen und Parkplätze.
Laut der UN werden 75 % aller landwirtschaftlichen Flächen weltweit allein für die Fleischproduktion genutzt. Drei Kilo Getreide werden benötigt für ein Kilo Fleisch. 800 Mio. Menschen sind, auch deshalb, unterernährt. Wir wissen es ja längst: Wir haben kein Produktions-, sondern ein Verteilungsproblem. Die UN schätzt, dass durch den Ausfall der Ukraine als Weizen- und Maisproduzent bis zu 11 Mio. Menschen zusätzlich hungern werden.
Derweil lamentieren Viehzüchter in Deutschland und Europa schon jetzt, dass sich die Tiermast aufgrund der steigenden Futtermittelpreise kaum noch lohne. Und das würde noch schlimmer, wenn jetzt auch noch größere Anteile der Weizenflächen und –ernte Menschen zur Verfügung stehen sollten.
Ja, das ist hart. Man stelle sich vor, es gelte mal das Prinzip „Brot statt Steaks“ und die Züchter müssten ihre Bestände reduzieren. Könnten gar alle vorhandenen Tiere nicht mehr ernähren. Die müssten sie glatt töten! Und steigende Fleischpreise können wir uns nicht erlauben, wo doch jetzt schon Heizen und Tanken teurer wird. Lieber lassen wir unsere Rinder und Schweine weiterhin die Teller der Hungernden leerfressen.
Neues gibt es auch von der Cancel-Culture-Front. Ronja Maltzahn und ihre Band haben den Unwillen von Fridays for Future auf sich gezogen. Ronja trägt Dreadlocks. Welch ein Frevel! Welche Anmaßung. Ein eklatanter Fall kultureller Aneignung. Findet jedenfalls die Ortsgruppe Hannover und lud die Band, die auf einer Friedensdemo spielen sollte, wieder aus. Gar nicht anmaßend fanden sie die Offerte, wenn sie sich die Locken abschneiden würde, dürfe Ronja Maltzahn durchaus auftreten.
Nun ist die Band ein Beispiel für gelebtes Multikulti und in ihren Texten treten sie ein für Toleranz und gegen Rassismus und für alles, was gegenwärtig politisch korrekt ist. Aber doch nicht mit dieser Frisur. Das weiß die Ortsgruppe: Da fühlt sich jeder echte (oder sollte ich sagen: reinblütige?) Rastafari auf die langen Locken getreten.
Nun frage ich mich: Dürfen nur Nazis eine Glatze haben? Essen die Mitglieder der Ortsgruppe Hannover auch keine Pizza mehr? Immerhin ist das ein typischer Fall kultureller Aneignung! Weg mit Gyros aus nicht-griechischen Mündern. Kulturelle Aneignung! Hören die etwa Hip Hop? Nieder mit deutschen Rappern! Was fällt denen eigentlich ein? Schließlich haben die nie in einem US-amerikanischen Ghetto gelebt. One World? Das war einmal. Heute gilt nicht mehr miteinander und durcheinander, sondern meine Kultur, deine Kultur. Also Finger weg.
Als käme es nicht darauf an, mit welcher Attitüde man Elemente anderer Kulturen übernimmt und vielleicht sogar integriert!
Und da frage ich mich, wer in der Ortsgruppe Hannover in Baggy Jeans herumläuft, diesem Musterbeispiel für kulturelle Ignoranz und Anmaßung, handelt es sich dabei doch um ein Symbol für die Diskriminierung und Erniedrigung schwarzer amerikanischer Gefängnisinsassen, das zu einem weißen Modeartikel gemacht wurde. Ob das in Hannover schon mal aufgefallen ist? Geradezu widerlich ist es auch, in überteuerten Markenjeans mit von Designern gestylten Rissen herumzulaufen und so aus einem Zeichen für Armut einen Modegag zu machen – und sich dabei unglaublich cool vorzukommen. Das Einzige, was da kühl, ja geradezu unterkühlt ist, sind die für Empathie zuständigen Gehirnareale.
Eine letzte Anmerkung: Konsequent wäre die Ortsgruppe Hannover, wenn sie sich umbenennen würde. In Freitage für die Zukunft.