Wo soll man eigentlich noch die Zuversicht herholen, dass sich die Dinge zum Besseren wenden? Rasante Pol- und Gletscherschmelze, brennende Wälder in Brasilien, Griechenland, der Türkei, den USA und in Italien, für Menschen unerträgliche Hitzewellen, Überschwemmungen jetzt sogar in unserer Eifel. Konnte ja keiner ahnen, dass so Dinge passieren. Und überall von Partei- und Konzernzentralen bis zu den Stammtischen posaunen die Abwiegler wie üblich in die Welt, dass es Waldbrände und Überflutungen und Hitzewellen schon immer gegeben habe. Alles ganz normal.
Es wird immer deutlicher: Der Mensch braucht Katastrophen, bevor er sich ändert. Rechtzeitig zu handeln und die eingefahrenen Bahnen verlassen, weil es einem die Vernunft sagt, nein, das ist nicht sein Ding. Lieber starrt er auf die auf ihn zurasenden Lichter und redet sich ein, er hätte immer noch genügend Zeit, von der Straße zu hoppeln.
Laschet, Merz und Lindner heißen unsere Leitkaninchen. Die größten Katastrophen für Merz und Lindner sind die Verhaltensdiktatur der Gutmenschen, sozial gerechte Steuersätze und zu viel Umweltschutz, gerade jetzt in der Pandemie. Laschet geht mit seinem christlichen Weltbild hausieren und da ist die Erde Untertan. Der Regengau – ein Einzelfall. „Nur, weil jetzt ein solcher Tag ist, ändert man nicht die Politik.“ Laschets Satz – der Sargnagel für jede Hoffnung auf Erkenntnis.
Der Lerneffekt der Menschheit – nein, kehren wir vor unserer eigenen Tür – der Lerneffekt der Deutschen ist minimal und kommt mit der Geschwindigkeit einer sedierten Schnecke. Worst-Case-Szenarien werden von der Wirklichkeit übertroffen, während wir Altbekanntes immer aufs Neue wiederholen. Nur beim Recycling von Warnung und Kleinreden sind wir Weltmeister.
Die Waldschadensberichte werden zunehmend düsterer, aber das Waldsterben war ja eine Erfindung der Grünen und hat es nie gegeben. Da wird gerade ein Buch gefeiert, das im Prinzip nur wiederholt, was andere seit Jahrzehnten sagen, aber niemals konsequent umgesetzt wurde, und was jetzt verkauft wird, als sei es eine völlig neue Erkenntnis: dass Natur einen Preis bekommen muss, der ihrem Wert entspricht und Ressourcen nur in dem Maße verbraucht werden dürfen, wie die Erde sie wieder produzieren kann1.
Thema Müll: Da sind wir heute auf dem Stand von vor 30 Jahren und uralte Forderungen und Lösungen werden in Radiosendungen und Feuilletons angepriesen, als würden wir zum ersten Mal bemerken, dass es Mogel- und unsinnige Doppelverpackungen gibt, dass wir zu viel Plastik produzieren, und dass wir die Armenhäuser der Erde als Schuttabladeplatz und Giftmüllkippe missbrauchen.
Und immer wieder hört man dieselben abgestandenen Argumente, bei jeder, aber auch jeder vorgeschlagenen Maßnahme. Ja, es stimmt, das Verbot von Plastikstrohhalmen rettet unsere Erde nicht. Ja, ein Tempolimit endlich auch in Deutschland reduziert den CO2-Ausstoß der Welt nur marginal. Wir sind zwar der weltweit größte Förderer von Braunkohle, aber was bringt das schon, wenn wir da aussteigen? Was ist so schwer an der Erkenntnis, dass erstens nur entschlossenes Handeln in allen Bereichen eine kleine Chance bietet, die Umweltzerstörung zu verlangsamen, und dass zweitens immer, egal worüber wir reden, irgendjemand damit anfangen muss. Haben die Dänen gewartet, bis alle anderen Länder mitgemacht haben, als sie 1792 die Sklaverei abschafften? Sind Menschen für die Demokratie auf die Straße gegangen, erst als alle mitgemacht haben? Wurden Menschenrechtserklärungen erst verabschiedet, als sie universelles Gedankengut waren?
So allmählich steht und das Wasser bis zum Halse und wir wundern uns auch noch. Und wollen warten, bis es gesamteuropäische Lösungen gibt. Wir zetern über die, die ja nichts getan haben, obwohl das genau die Leute sind, die wir gewählt haben, wohl wissend, dass die nichts tun würden.
Genau wie jetzt. Das Jahrhundertunwetter bringt den Grünen ein, zwei Prozent mehr. Mal sehen wie lange. Wir werden ja sehen bei der Wahl, wie viele Menschen wirklich begriffen haben, dass der Spruch „jetzt oder nie“ noch nie so zutreffend war.
Was übrigens auch für das zweite zentrale Thema, die soziale Gerechtigkeit gilt, denn die Umweltkrise wird sämtliche sozialen Gegensätze massiv verstärken und die unteren Schichten am stärksten treffen. Mal sehen, wie viele Wähler sich genau angesehen haben, was ihnen die Steuerpläne der jeweiligen Parteien bringen würden. Wenn es danach ginge, dürften FDP und CDU kaum über die 5 %-Hürde kommen.
Wer wirklich die Zeichen der Zeit erkannt hat, muss im September die einzige Regierung ermöglichen, mit der ein ökologischer und sozialer Wandel möglich wird. Mit Herrn Laschet oder Herrn Lindner wird es weitergehen wie bisher: ein bisschen Kosmetik hier, ein bisschen Rhetorik da. Wenn es überhaupt noch Hoffnung auf eine Kehrtwende wenigstens in Deutschland geben soll, bei aller Skepsis, die man den einzelnen Parteien gegenüber hegen mag, dann nur mit grün-rot-rot, und da ist es egal, wie viel Prozent diese drei jeweils erreichen. Hauptsache gemeinsam genug.
Dazu müssten Grüne, SPD und Linke allerdings auch endlich aufhören, sich gegenseitig zu bekämpfen. Hoffnung würde ein gemeinsamer Wahlaufruf machen: Wählt einen von uns, egal wen, Hauptsache ihr wählt nicht die Verwalter der Umweltkatastrophe und der sozialen Ungerechtigkeit.
Aber danach sieht es leider ganz und gar nicht aus.2
1 The Economics of Biodiversity: The Dasgupta Review, 2021.
2 https://www.myview-wolfgangmebs.de/vor-die-wand/
3 Antworten auf „Hoffnung? – Woher?“
Ich denke du hast recht, solange es den meisten noch (zu) gut geht, wird sich ausser Kosmetik nicht viel ändern, ohne Katastrophen und tiefe Einschnitte ändern sich anscheinend nichts, oder zumindest nicht genug für eine ernsthafte Kurskorrektur.
Die Grenzen des Wachstums, hat der Club of Rome nicht erst gestern veröffentlicht, bedauerlicherweise wird dieser Report in knapp einem halben Jahr sein 50. Jubiläum feiern, und trotzdem bauen fast alle Industrien noch auf Wachstum und nicht auf Nachhaltigkeit.
Aber es wird jede Menge Artikel darüber geben, wie wichtig dieser Report war, und wie erschreckend viele Prognosen noch erschreckender übertroffen wurden, und dass es jetzt endlich Zeit wird, und wie schön, dass es jetzt FfF gibt, und die Autoren werden gelobt werden … Wie vor 40 Jahren, wie vor 25 Jahren, wie … Es wird viel gelobt werden und die Feuilletons werden sich überschlagen.
Und CDU/CSU und FDP und AfD werden ihren üblichen “Realismus” zum Schlechtesten geben. Luschet allen voran.
“So allmählich steht und das Wasser bis zum Halse”
*uns
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