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Artikel und Essays Der tägliche Wahnsinn

Irrlichter

Irrlicht 1:

Nicht dass es neu wäre oder überraschend, das Tollhaus britische Regierung. Die Politik des Mini-Trump in London, auf dessen Schädeldecke es geordneter zugeht als darunter, lässt nur einen Schluss zu: der Mann liebt das Chaos, und da er sich wie sein Vorbild für ein Genie hält, bildet er sich ein das Chaos zu beherrschen, und so dürfte es im UK demnächst aussehen wie in Johnsons Hirn. Wie verblendet muss man sein, um zu glauben, ein ungeordneter Brexit brächte, wie er großmäulig verkündet, milliardenschwere Vorteile für das UK, und mit dem Trump-eltier könne er einen Handelsvertrag zu seinen Gunsten abschließen (laut Johnson sind sie ja beste Freunde)? Und jetzt bildet er sich auch noch ein, er könne den von ihm selbst unterzeichneten Vertrag mit der EU mir nichts, dir nichts missachten und würde dafür noch belohnt.

Hoffen wir mal, dass er nicht Recht behält und ein paar EU-Mitglieder wegen kurzfristiger Exportverluste umkippen. Vom britischen Parlament selbst ist jedenfalls nichts zu erwarten. Die Opposition weiß selbst nicht, was sie denn nun wirklich will, und die Tories im Unterhaus sind genauso simpel gestrickt wie ihre Kollegen im amerikanischen Kongress. Erst proben ein paar Zwerge den Aufstand und bezeichnen Johnsons Pläne als das, was sie sind – irrsinnig und rechtswidrig (aber hat das je einen echten englischen Snob gestört?) – und einen Tag später unterstützen sie diesen Polit-Clown mit klarer Mehrheit. Lieber kriechend in den Abgrund als Rückgrat zeigen. Auch scheint es niemanden zu stören, dass sie mit ihrer Entscheidung gleichzeitig die Lunte an Nord-Irland legen. Aber auch das hat konservative englische Politiker in der Vergangenheit immer nur peripher tangiert, obwohl der Terrorismus nie in ihrer Kolonie blieb.

Bisher konnte man als Menschenfreund ja nur hoffen, dass die politische Führungsschicht zur Besinnung kommt, denn einen harten Brexit kann man der Bevölkerung wirklich nicht wünschen. Aber es waren die Briten selbst (besser gesagt, in erster Linie die Engländer), die sich im Referendum für den Ausstieg aus Europa entschieden haben, und sie waren es auch, die Boris Johnson, einen irrlichternden EU-Gegner, zum Premier gemacht haben. So allmählich könnte man deshalb sagen: na gut, wenn ihr es nicht anders wollt, dann macht es auf die harte Tour, dann müsst ihr eben erst aus Schaden klug werden, und zwar richtig deftig. Insofern bleibt nur zu hoffen, dass die EU ebenfalls hart bleibt und sich nicht von einem Vabanque-Spieler auf der Nase herumtrampeln lässt.

Irrlicht 2:

Trump will mit der ganzen Härte des Gesetzes zuschlagen und dem Recht wieder Geltung verschaffen. Soso. In bester amerikanischer Tradition? Dabei glauben doch nur noch Lobotomisierte, die USA seien, was man in Europa einen Rechtsstaat nennt. Da werden rechtskräftig verurteilte Lügner und Betrüger und rassistische Sheriffs von Trump begnadigt, da wird ein querschnittsgelähmtes Opfer von Polizeigewalt ans Krankenbett gefesselt, während auf friedliche Demonstranten (und das betrifft über 90 % der Black Lives Matter und anti-Trump Demonstrationen) eingeprügelt wird. Doch damit nicht genug. Jetzt überzieht die amerikanische Justiz hunderte willkürlich Verhaftete mit Prozessen und zerstört deren Existenz. Zum Beispiel wurde ein Schwarzer wegen eines neuerdings ja schon fast terroristischen Akts belangt – Widerstand gegen die Staatsgewalt – weil er Pfefferspray und einen legalen und frei verkäuflichen Taser im Rucksack hatte. Auf der Flucht vor Polizisten in Kampfmontur, so wird ihm vorgeworfen, habe er in den Rucksack gegriffen, was als eindeutiges Indiz für einen geplanten Angriff auf patriotische Sicherheitskräfte gewertet wird. Kaum auszumalen, welch ein Massaker der Mann hätte anrichten können!

Irrlicht 3:

Übrigens, Merz meinte, sich mal wieder melden zu müssen. Und wie. Als CDU-Vorsitzender würde er sich nicht dafür einsetzen, die Frauenquote durchzusetzen. Eine Merkel reicht ihm wohl. Und auf dem Parteitag will er nicht wie 2018 eine „sehr ernsthafte Rede“ halten; diesmal sollen in seiner Rede „auch ein paar Wunderkerzen vorkommen“. Was immer das heißen mag. Wo er doch selbst die größte Wunderkerze ist: zwei Minuten falscher Zauber und zurück bleibt ein ziemlich unansehnliches Etwas.

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2 Antworten auf „Irrlichter“

1.) Bei allem Mitleid mit den vernünftigen Briten die dies nicht gewählt haben, aber nun trotzdem ertragen müssen, man kann nun eigentlich nur noch hoffen dass die kommenden Jahre so schlimm werden, dass sich das (Un-)United Kingdom in ein paar Jahren wieder der EU anschließen wird.

2.) Die Benutzung von “Lobotomisierte” hat mir nicht gefallen, zum einen hat diese medizinische Barbarei ja echte Opfer hinterlassen, zum anderen waren die Auswirkungen auf Emotionen und Persönlichkeit glaube ich größer als auf die Intelligenz.

3.) Ich bin mittlerweile fest überzeugt dass Amerika 3-4 Amtsperioden brauchen wird um eine Amtsperiode von Trump wieder zu “reparieren”, sowohl wirtschaftlich, geo-politisch, als auch einfach bei Ansehen im In- und Ausland. Nicht abzusehen wie schlimm es wäre wenn er eine zweite bekäme.

Zu 1): Davon ist auszugehen. Ob es das UK dann in der heutigen Form noch gibt, bleibt abzuwarten. Die Schotten arbeiten ja auch schon an einem zweiten Referendum zum Austritt aus dem UK, um wieder in die EU zu kommen.

Zu 2): Du hast Recht, das war ein barbarisches Verfahren. Ich habe es auch nicht im schlichten Sinne von “dumm” gemeint (auch wenn das in dem Kontext nahe liegt), sondern im Sinne von empathielos, willenlos, steuerbar. Ich habe dazu ein passendes Zitat gefunden, von Walter Freeman: „Die Psychochirurgie erlangt ihre Erfolge dadurch, dass sie die Phantasie zerschmettert, Gefühle abstumpft, abstraktes Denken vernichtet und ein roboterähnliches, kontrollierbares Individuum schafft.“

zu 3): Sieht man sich neuere Umfragen an, sieht es für Trump gar nicht so schlecht aus. Der Abstand zu Biden schrumpft, und Hillary Clinton lag auch mal weit vorn. Wie gesagt, das Schlimmste, wäre ein knappes, umstrittenes Ergebnis. Das könnte das ohnehin schon aufgeheizte Klima vollends entflammen. Weiße Milizen treten bereits immer offener und aggressiver auf, und mittlerweile gibt es ja auch waffenstarrende schwarze Milizen. Das alles verheißt nichts Gutes.

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