Schlechte Nachrichten aus China. Offensichtlich versucht die Regierung im Schatten der Pandemie Hongkong mit neuen Sicherheitsgesetzen völlig unter seine diktatorische Kontrolle zu bekommen. Nach dem Motto, die Leute haben jetzt andere Sorgen, und vor allem werden sie noch weniger als sonst schon hingucken, wo sie doch vor allem ein Ziel haben, nämlich die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Und die meisten Wirtschaftsbosse schlafen immer noch besser nach einem Geschäftsabschluss, als mit gutem Gewissen. Dafür kann man sich bekanntlich nichts kaufen.
So wie Firmen von BMW über Mercedes bis Siemens früher keine Probleme damit hatten, das Apartheits-System in Südafrika mit seinen billigen und rechtlosen Arbeitskräften als kostengünstigen Standort zu nutzen, so sehen sie auch heute nichts Anrüchiges darin, in der Nachbarschaft von Internierungslagern für Uiguren ihr Geld zu machen. Eine Analyse des australischen Thinktanks Australian Strategic Policy Institute (Aspi) kommt zu dem Schluss, dass viele internationale Firmen, darunter auch Adidas, BMW, Bosch, Siemens und VW, direkt von der Arbeit der uigurischen Zwangsarbeiter in den Internierungslagern und angeschlossenen Zulieferbetrieben profitieren. (https://www.handelsblatt.com/unternehmen/management/uiguren-deutsche-firmen-geraten-in-china-wegen-moeglicher-zwangsarbeit-unter-druck/25600326.html?ticket=ST-26953-sMcrWOsBygWLwOBBDUoi-ap6/ Zugriff, 28.5.20)
Darauf angesprochen tun alle Unternehmen überrascht, weisen die Vorwürfe zurück und zitieren stattdessen ihre Unternehmensleitlinien, die selbstverständlich Zwangsarbeit etc. ausschließen. Geduldiges Papier. Wie wenig sich die VW-Führung um Martin Winterkorn schon im Vorfeld des Baus des Werks in Urumqi um die Menschenrechtssituation scherte, kann man einem Bericht der Süddeutschen entnehmen (https://www.sueddeutsche.de/politik/china-cables-vw-verantwortung-xinjiang-uiguren-1.4696626/Zugriff 30.5.20). Auf Vorwürfe reagiert man mit der in Wirklichkeit alles bestätigenden Erklärung, die Entscheidung sei „auf Grundlage rein wirtschaftlicher Überlegungen“ getroffen worden. Um dann mit der üblichen schönfärberischen Tünche nachzulegen: „Wir möchten, dass mit Arbeitsplätzen für alle Volksgruppen das soziale Umfeld für die Menschen in Urumqi verbessert wird.“ Wär ja auch tragisch, wenn die Zwangsarbeiter plötzlich auf der Straße stünden.
Deshalb ist auch nicht damit zu rechnen, dass China ernsthaften Gegenwind bekommen wird bei der Abschaffung der Demokratie in Hongkong. Im Gegenteil. Die Geschäfte werden weiter ausgedehnt. VW beispielsweise will sich mit mehreren hundert Millionen Euro am Elektroautopartner JAC und einem Batteriehersteller in China beteiligen. Nein, gebeutelt von der eigenen kriminellen Energie und den damit jetzt endlich auch in Deutschland verbundenen Entschädigungen auf der einen, und den Folgen des Lockdown auf der anderen Seite, sucht die VW-Führung, wie viele andere deutsche Unternehmen auch, ihr Heil vor allem auf dem chinesischen Markt. Da kann man sich Kritik nicht leisten. Dass man sie überhaupt für notwendig hält, wage ich allerdings ernsthaft zu bezweifeln. Da erinnern mich Konzernspitzen eher an sonntägliche Besucher von Beichtstühlen, die mal kurz ihre Sünden bejammern, um dann innerlich erleichtert und wie gehabt ans neue Tagwerk zu gehen.
Auf den aktuellen Konflikt angesprochen ziehen es deshalb die meisten Unternehmen und Branchenverbände vor lauthals zu schweigen, und wenn sich jemand äußert, dann mit dem Verweis sich nicht zu äußern, weil man solche Dinge der Politik überlasse. Unternehmen sind für den Profit da, um Menschenrechte sollen sich andere kümmern. Allen Uni-Seminaren zum Trotz spielt Ethik in der täglichen ökonomischen Praxis und in den Köpfen von CEOs und 90 % der Anleger keine Rolle. Wie sagte doch der Vorsitzende der Geschäftsführung des Zentralverbands Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) Wolfgang Weber: Die Außenminister müssten sich mit der Thematik befassen, aber gerade im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie dürfe die aktuelle Situation „nicht dazu missbraucht werden, die globalen Wertschöpfungsketten leichtfertig aufs Spiel zu setzen oder sogar bewusst aufzugeben“. (https://www.welt.de/wirtschaft/article208479383/Chinapolitik-Das-laute-Schweigen-der-deutschen-Wirtschaft-in-der-Hongkong-Frage.html; Zugriff 29.5.20) Quod erat demonstrandum.
Und was macht die Politik? Richtig. Die ist wie üblich diplomatisch. Und still. Stille Diplomatie, das Zauberwort für alle, die sich nicht Mund und Finger verbrennen wollen, aber im eigenen Land den Schein wahren wollen. Außerdem muss die ja ebenfalls die Wirtschaft wieder ankurbeln. Siehe oben. Auf eine florierende Wirtschaft ist die chinesische Führung allerdings mittlerweile ebenso angewiesen. Natürlich werden starke Worte allein Xi Jinping, den Generalsekretär der KP, nicht zum überzeugten Demokraten wandeln, aber dass in einer globalisierten Welt jedes Land, auch China, auf internationale Zusammenarbeit angewiesen ist, auch wenn sein Land sich zu einem der mächtigsten Faktoren der Weltpolitik gemausert hat, das weiß auch er. Insofern dürfen europäische Regierungen durchaus stärkeres Geschütz auffahren. Aber hinter dem Rücken mit dem erhobenen Zeigefinger zu wedeln, wird in Hongkong gar nichts ändern.
2 Antworten auf „Demokratiedämmerung“
[…] Firmen von Adidas über BMW und Siemens bis VW (https://www.myview-wolfgangmebs.de/echt-jetzt/¸https://www.myview-wolfgangmebs.de/demokratiedaemmerung/) werden auf unabsehbare Zeit weiterhin Profit auf dem Rücken von uigurischen Zwangsarbeitern […]
[…] Außerdem muss man erst mal Auftragnehmer zu finden, die die Bedingungen erfüllen! In nicht wenigen Bereichen würde ein wirklich konsequentes Gesetz eine Zeit lang, wenn nicht über Jahre, zu erheblichen Lieferengpässen führen, beispielsweise bei Handys (wer könnte sich dann noch jedes Jahr ein neues I-Phone leisten?). Dazu bedürfte es nämlich eines anderen politischen Systems und komplett anderer Rahmenbedingungen etwa in den Kobaltminen des Kongo. Am problematischsten wird es bei politischen Kriterien. Ernstgenommen würde das zum Ende der meisten Wirtschaftsbeziehungen zu China führen, für den Anfang zumindest zum Rückzug von VW, BMW, Adidas, Bosch u.v.m., solange sie von uigurischen Zwangsarbeitern profitieren (https://www.myview-wolfgangmebs.de/demokratiedaemmerung/). […]